Leseprobe
Das letzte Fest des alten Europa: Anna Sacher und ihr Hotel
Ich erinnere mich zum Beispiel, dass mein Vater es sein ganzes
Leben lang vermied, bei Sacher zu speisen, und zwar nicht aus
Sparsamkeit – denn die Differenz gegenüber den anderen großen
Hotels war lächerlich gering – sondern aus jenem natürlichen
Distanzgefühl: es wäre ihm peinlich oder ungehörig erschienen,
neben einem Prinzen Schwarzenberg oder Lobkowicz Tisch
an Tisch zu sitzen.
Stefan Zweig: Die Welt von gestern (1942)
Heftig debattierend bogen Hans Wilczek und Franz Meran von der Kärntnerstraße in die Augustinerstraße ein. Man hörte Wortfetzen: Waffen … von überall beziehen … kann nicht so schwer sein … auch du, Franz, kennst genug Standesgenossen.
Der Wortführer war ganz eindeutig Hans Wilczek, um die fünfzig, fast zwei Meter groß, mit markanter Stirnfalte zwischen den Augen und einem stattlichen Vollbart. Immer noch ins Gespräch vertieft betraten sie das Sacher.
Danke, Sebastian. Wilczek übergab dem Pagen Mantel und Schirm, ohne seinen Satz über mittelalterliche Waffengattungen zu unterbrechen. Es war Frühling, man wusste nie, ob es regnen würde. Im Vestibül eilte ihnen auch schon Anna Sacher entgegen.
Der Ministerpräsident ist auch hier, ließ sie Wilczek wissen und geleitete die hohen Herrschaften in den großen Speisesaal, der sich hinter der Vorhalle befand und durch die Überdachung des Innenhofes entstanden war.
Danke für die Warnung, gab Wilczek zurück. [...]